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7hoursTURM #4 Märkisches Museum
TILL HOHN
Mampe Halb & Halb
1. März - 3. Mai 2003
Eröffnung: Sonnabend, 1. März 2003,
16 Uhr
Pressevorbesichtigung ab 14 Uhr
Es spricht: Dr. Eugen Blume, Hamburger Bahnhof Museum für Gegenwart
SMPK
Till Hohn hat vier Köpfe geformt. Halbköpfe,
Mampe halb & halb, ein Berliner Bezug: Prediger Paul Mampe hatte eine
Pfarre
im Pommerschen Stojentin und sorgte dank medizinischer Kenntnisse auch
als Heilender für Gesundheit und Trost in seiner
Gemeinde. Sohn Carl mixte die berühmten Tropfen, die später
in der Berliner Mampe GmbH als Kräuterbitter produziert
worden sind. Mampe halb & halb ist eine Berliner Geschichte.
Es sind vier Kindergesichter: Ein Putto - Höhe ein Meter fünfzig
- und drei kleinere Köpfe, auf Stelen postiert. - Die Gruppe
stellt vor ein Rätsel. Was ist das. Eine Gesamtheit kunsthistorischen
künstlerischen Gedächtnis' - besonders des Berliner,
des Märkischen, des Norddeutschen Raumes – das in Berlin diskutiert,
vergessen und neu gebaut wird, hat Till Hohn
inkludiert und als Endstücke eines klassizistisch barocken Grundes
künstlerisch in die Gegenwart extrahiert.
Es erschreckt und berührt der Ausdruck jedes dieser Gesichter. Jedes
scheint mit Heftigkeit lebendig zu sein. In jedem
scheinen in nachhaltiger Vielfalt Mitteilungen zu liegen, auch untereinander.
Es ist wie in einem Tagtraum: Ein Vogel hat sich
im Zimmer verirrt. Noch schlaftrunken sieht man den Vogel und meint sich
im Traum. Aber es ist Tag und der Vogel ist
tatsächlich gefangen. Halbwach tritt man in die Halle mit den Köpfen
und sieht ein - riesenhaftes - barockes Puttengesicht,
mehr Bewegung, als man vorhersehen kann: eine Implosion von Wirklichkeit.
Der 1958 in Berlin geborene Till Hohn ist ein Spezialist. Er hat Baugeschichte
in Aachen und Kunst in Düsseldorf studiert.
Seit einigen Jahren lebt er wieder in Berlin. Atelier, Keller und Wohnung
gehörten zu den ersten aufwendigen Objekten, mit
denen er sich mit ebensolcher künstlerischer Akribie befasst hat,
wie mit umfassenden Studien z.B. zum Berliner Schloss.
Till Hohn ist ein Künstler, der sich ausdrücklich und nachhaltig
mit dem Ort beschäftigt, in dem er lebt. Till Hohn hat etwas
gewagt. "Hier kämpft man
nicht um das, was man schon hat!" 1)
sagt Hebbels König Gunther. Till Hohn sagt, dass man sich
zu erlauben hat, das zu machen, was einen interessiert. Es ging um Fragen,
wie z.B. die Oberlippe auf der Unterlippe sitzen
muss, um bei einem Kindergesicht einen natürlichen Ausdruck zu erzielen.
Wie macht man überhaupt eine Skulptur? Was
muss passieren, dass es nicht peinlich wird?
Putten und barocke Kinderfiguren, erscheinen mit äußerst differenzierten,
häufig auch leidenden Gesichtsausdrücken.
Darauf hingewiesen hat Till Hohn in einer Installation, die Teil der ersten
7hoursTURM-Ausstellung (Introitus, 2001) gewesen
ist. Er hatte im so genannten Steinkeller des Märkischen Museums
Putten und andere Skulpturen fotografiert und aus den
Materialien eine Serie von ca. 50 Diapositiven zusammengestellt, die vom
Keller auf den Dachboden des Museums gehoben
und dort projiziert worden waren.
"Erinnern heißt Bewegung
im Raum. Beides ist an das Erscheinen von Objekten gebunden; so Bauten
und Teile von
Bauten, die dem menschlichen Sein im Raum äußere Form wie psychische
Struktur prägen, und die bei der Rezeption ihrer
Fragmenthaftigkeit, d.h. in der Intensität des 'puncti' (im Sinn
von Roland Barthes) auf eben jene Komplexität eines einstigen
Zusammenhangs verweisen, der, in die Abwesenheit 'aus den Augen aus dem
Sinn' verwiesen, in seiner Wiederkehr als
Störung empfunden werden muss." 2)
sagt der Schriftsteller Reinhard Jirgl in seinem Essay über Till
Hohn.
Aus dem bisherigen Gesamtwerk von Till Hohn, der "in
der der Wahl seiner Mittel stets innerhalb der Sprache der
Architektur"3) bleibt, erscheint die
vorliegende Skulpturengruppe als konsequente Fortsetzung des architektonischen
Raumes. Ihre Installation im neoromanischen Wehrturm des Märkischen
Museums wirft eben jene Fragmenthaftigkeit in
einen Spiegel, in dem das Drama des Mangels einstigen Zusammenhangs den
Betrachter zum Produzenten machen.
Christiane Grüß
1) Friedrich Hebbel, Werke, Dritter
Band, S. 20, Volksbühnen Verlags- und Vertriebs-GmbH, Berlin 1925
2) Reinhard Jirgl, Störstellen Zu zwei Projekten von Till Hohn, ohne
Seitenangaben, Katalog „UNSER düsselDORF SOLL
SCHÖNER WERDEN“, Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof, 1995
3) ebd
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